Hinweise vom Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften e.V. (BHDS)
Aktualisierte Version vom 23.03.2020
Inzwischen hat die Landesregierung NRW gemäß §§ 32, 28 des Infektionsschutzgesetzes mit Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus am 22.03.2020 sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich ein umfassendes Versammlungsverbot angeordnet. Daher erreichen den Bund vermehrt Anfragen, wie sich die Rechtslage bei Absage von Veranstaltungen der Bruderschaften verhält, insbesondere ob die Bruderschaften Künstlern, Musikgruppen, Festwirten und anderen Vertragspartnern zum Schadensersatz verpflichtet sind.
Grundsätzlich gilt folgendes:
Die Bruderschaft als Veranstalter trägt das zivilrechtliche vertragliche Risiko einer Veranstaltungsabsage. Sagt ein Veranstalter aus eigener Veranlassung und Entscheidung aus Sorge um die Gesundheit der Teilnehmer eine Veranstaltung ab, haben alle Teilnehmer einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung ihrer Ausgaben für Eintrittskarten und können die Rückzahlung des Betrages verlangen. Im Gegenzug müssen sie ihre Eintrittskarten zurückgeben oder die Karten verlieren die Gültigkeit. Ebenso können Schausteller eventuelle Standgebühren, Künstler und Musikgruppen das vereinbarte Honorar ersetzt verlangen. Der Veranstalter trägt also auf allen Seiten der Vertragsverhältnisse das Risiko und damit auch die Kosten.
I. Behördliches Verbot der Versammlung über 3 Personen
Anders ist es, wenn jetzt aufgrund der Verordnung der Landesregierung NRW vom 22.03.2020 eine Veranstaltung von den örtlichen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden gemäß der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz verboten wird.
Erfolgt ein behördliches Verbot der Landesregierung NRW für Versammlungen jeglicher Art aufgrund der Infektionsgefahr des Coronavirus, liegt ein Fall „höherer Gewalt“ vor. Das Verbot ist derzeit bis zum 20.04.2020 ausgesprochen. Höhere Gewalt ist ein externes Ereignis, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist. Unter den Begriff „höhere Gewalt“ fallen beispielsweise Ereignisse wie Naturkatastrophen, Streiks und terroristische Angriffe. Aber auch Epidemien und Seuchen können als höhere Gewalt angesehen werden. Dies haben zum Beispiel das Amtsgericht Augsburg, Urteil vom 09.11.2004, Az.: 14 C 4608/03, im Hinblick auf den Ausbruch des SARS-Virus und das AG Homburg, Urteil vom 02.09.1992, Az.: 2 C 1451/92–18, hinsichtlich eines Ausbruchs von Cholera entschieden. Der Grund der Absage liegt dann nicht mehr im Verantwortungsbereich des Veranstalters, ein Verschulden im Sinne von §§ 276, 280 BGB liegt dann nicht vor. Schadensersatzansprüche können gegen den Veranstalter nicht geltend gemacht werden.
Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweisregeln muss derjenige, der sich auf das Vorliegen „höherer Gewalt“ beruft, diese im Zweifel vor Gericht darlegen und beweisen können. Dieser Beweis ist derzeit aufgrund es von der Landesregierung NRW ausgesprochenen Verbots möglich.
Wer trägt die Kosten, wenn die Veranstaltung verboten wird?
In diesen Fällen ist umstritten, ob die öffentliche Hand Ersatz leisten muss. In § 65 des Infektionsschutzgesetzes ist geregelt, dass dann, wenn durch eine behördliche Maßnahme nicht nur ein unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird, eine Entschädigung zu leisten ist.
Die rechtliche Frage ist, ob diese Vorschrift auf Verboten Veranstaltungen überhaupt anzuwenden ist. Das ist umstritten. offizieller Seite noch keine definitive Aussage zu dieser Frage.
II. Keine behördliche Anordnung der Absage
Wird eine Veranstaltung (noch) nicht behördlich abgesagt, will der Veranstalter gleichwohl aufgrund eigener Entscheidung eine Veranstaltung, die nach dem 20.04.2020 stattfinden soll, absagen, ist folgendes zu beachten:
Das Robert Koch-Institut als zuständige Behörde u.a. für Infektionskrankheiten hat inzwischen Handlungsempfehlungen für Großveranstaltungen veröffentlicht (vgl. Covid-19 Allgemeine Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung für Großveranstaltungen des Robert Koch Instituts), anhand derer die Zumutbarkeit der Durchführung einer Veranstaltung beurteilt werden kann.
Maßgebliche Kriterien sind hierbei insbesondere die Dauer der Veranstaltung, Gegebenheiten der Örtlichkeiten, Möglichkeiten zur Händehygiene, Teilnahme von Risikogruppen usw. Je mehr Faktoren vorliegen, die eine Infektionsgefahr erhöhen, desto eher ist eine Unzumutbarkeit der Durchführung der Veranstaltung anzunehmen. Zum Beispiel ist bei einer Großveranstaltung mit internationalen Bezug und Besuchern aus Risikogebieten in der Regel die Infektionsgefahr höher als bei kleineren, regional geprägten Veranstaltungen, die in einem Gebiet stattfinden, in dem bislang keine Infektionsfälle bekannt wurden. Bestehen hingegen eine ausreichende sanitäre Versorgung, viele Möglichkeiten zur regelmäßigen Händedesinfektion und haben die Besucher der Veranstaltung genügend Freiraum zur Bewegung anstatt im dichten Gedränge zu stehen, liegt keine Unzumutbarkeit vor und die Veranstaltung kann stattfinden.
Die Unzumutbarkeit ist der „höheren Gewalt“ gleichzustellen. Beides ist im Rahmen einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles mit äußerster Vorsicht zu entscheiden, da fehlerhafte Erwägungen zu Schadensersatzpflichten des Veranstalters führen können.
Ein Verschulden wird den Veranstalter wohl auch nicht treffen, wenn die Absage ersichtlich auch dem Schutz der Besucher gilt. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn Mitglieder oder Mitarbeiter des Veranstalters positiv auf das Coronavirus (Covid-19) getestet wurden. Stellt sich allerdings heraus, dass schuldhaft gegen die vom Robert Koch-Institut veröffentlichten Empfehlungen verstoßen wurde, etwa, weil infizierte Personen in Kenntnis der Erkrankung weiter für den Veranstalter gearbeitet haben, würde dies wiederum für ein Verschulden des Veranstalters sprechen.
III. Verschiebung einer Veranstaltung
Als milderes Mittel ist derzeit noch nach dem 20.04.2020 auch über eine Verschiebung der Veranstaltung zu einem Ersatztermin in Erwägung zu ziehen. Wird die Veranstaltung lediglich verschoben, aber nicht aufgehoben, behalten die abgeschlossenen Verträge ihre Gültigkeit. In rechtlicher Hinsicht muss eine Verschiebung den beteiligten Vertragsparteien (Künstlern, Musikgruppen, Schaustellern, Festwirten usw.) zumutbar sein, die Veranstaltung stattfinden zu lassen und lediglich den Termin zu ändern. Der Vertrag bleibt grundsätzlich bestehen. Der Veranstalter hat aber ein Recht auf Anpassung des Vertrages gegenüber den Beteiligten. Sinnvoll sind rechtzeitige Gespräche mit allen Beteiligten.
Ist eine Verschiebung aufgrund der Art der Veranstaltung, insbesondere bei termindichten Schützenfesten für die Beteiligten wiederum gar nicht möglich, kann sich der Veranstalter durch eine Rücktritts- oder Kündigungserklärung vom Vertrag lösen und die Veranstaltung kann abgesagt werden.
IV. Fazit:
- Alle öffentlichen und privaten Versammlungen sind bis zum 20.04.2020 verboten.
- Es ist zunächst abzuwarten, ob das Verbot möglicherweise über den 20.04.2020 hinaus verlängert wird. Die Zeit bis zum 20.04.2020 wird zeigen, ob das Coronavirus erfolgreich eingedämmt werden kann.
- Steht nach dem 20.04.2020 fest, dass größere Veranstaltungen wie Schützenfeste wieder stattfinden dürfen, sollte sich die Bruderschaft – je nachdem, welche Behörde zuständig ist – mit dem Ordnungsamt der Gemeinde oder dem Gesundheitsamt der Stadt oder des Kreises in Verbindung setzen und gemeinsam mit der Behörde nach den oben dargestellten Kriterien eine Risikobewertung vornehmen. Ordnet die Behörde ein Verbot oder die Absage der Veranstaltung an, sind Schadensersatzansprüche gegen den Veranstalter nicht durchsetzbar.
- In anderen Fällen obliegt es dem Veranstalter, nach den oben dargestellten Kriterien eine Risikobewertung durchzuführen und entscheiden, ob eine Veranstaltung nach dem 20.04.2020 nur verschoben werden kann oder abgesagt werden muss.
Man wird die weitere Entwicklung der Verbreitung des Coronavirus beobachten müssen. Es ist durchaus noch möglich, dass durch neue Verordnungen der Landesregierung NRW oder Erlasse der zuständigen Ministerien Veranstaltungen auch nach dem 20.04.2020 verboten sind oder abgesagt werden müssen.
Hermann Josef Pierenkemper
Bundesjustiziar