Ein Besuch, der bewegt – Die Lintorfer Bruderschaft in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

Freitag, 24. Oktober 2025

Berichts-Kategorie: Bruderschaften
Bruderschaft: Schützenbruderschaft Lintorf 1464 e.V.
eingesendet von: Andreas Kellersmann

Zu Besuch in der Müh­len­stra­ße 29 in Düs­sel­dorf. Eine beleb­te Stra­ße mit­ten in der Alt­stadt – dort, wo sonst das Leben pul­siert, wo man sie kennt, die „längs­te The­ke der Welt“. Doch hin­ter einer gro­ßen grü­nen Ein­gangs­tür ver­birgt sich ein ganz ande­rer Ort: die Mahn- und Gedenk­stät­te Düs­sel­dorf. Hier wur­den die Schüt­zen von Dr. Bas­ti­an Fleer­mann, dem Lei­ter der Ein­rich­tung, mit den Wor­ten emp­fan­gen: „Will­kom­men in der Alt­stadt – und will­kom­men in unse­rem Hau­se, das unter­schied­li­cher und abwechs­lungs­rei­cher gar nicht sein kann.“ Häu­fig, so erzählt er, wer­de er gefragt, war­um sich eine Mahn- und Gedenk­stät­te aus­ge­rech­net im Tru­bel der Alt­stadt befin­de. Sei­ne Ant­wort ist eben­so schlicht wie über­zeu­gend: „Einen bes­se­ren Ort konn­ten wir nicht fin­den. Wir wol­len uns nicht ver­ste­cken. Wir wol­len den Men­schen in einer offe­nen Atmo­sphä­re begeg­nen – und freu­en uns, wenn sie etwas mit­neh­men.“ Und vie­le tun das: Rund 35.000 Besu­che­rin­nen und Besu­cher kom­men jedes Jahr – Schul­klas­sen, Stu­die­ren­de, Poli­zei­schü­le­rin­nen und ‑schü­ler aus ganz NRW, Feu­er­wehr­leu­te, aber auch inter­es­sier­te Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. Sie alle set­zen sich hier mit Geschich­te aus­ein­an­der – nah, per­sön­lich und berührend.

Ein Haus mit Geschichte

Bevor es in die Aus­stel­lung ging, erklär­te Dr. Fleer­mann den Mit­glie­dern der Bru­der­schaft, in was für einem Gebäu­de sie sich eigent­lich befan­den. Ursprüng­lich von Jesui­ten errich­tet und über lan­ge Zeit bewirt­schaf­tet, liegt es nur weni­ge Schrit­te von der Andre­as­kir­che ent­fernt. Spä­ter zog hier die preu­ßi­sche Poli­zei ein und errich­te­te eine der moderns­ten Poli­zei­be­hör­den ihrer Zeit. Gegen­über, im heu­ti­gen Andre­as-Quar­tier, befand sich frü­her das Amts- und Land­ge­richt Düs­sel­dorf – dort, wo am 26. Novem­ber 1975 der gro­ße Maj­da­nek-Pro­zess begann, in dem die Ver­bre­chen des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Maj­da­nek ver­han­delt wurden.

Geschich­te, die unter die Haut geht

In der stän­di­gen Aus­stel­lung geht es nicht um Zah­len und Sta­tis­ti­ken, nicht um die „Mas­se des Schre­ckens“, son­dern um Men­schen und ihre Geschich­ten. Da ist der zwölf­jäh­ri­ge Pfar­rers­sohn, der unbe­dingt in die Hit­ler­ju­gend woll­te, weil alle sei­ne Freun­de dort waren. Segel­flie­gen, Mes­ser am Gür­tel – der Traum eines Jun­gen, der zum Alb­traum sei­ner Eltern wird. Oder der Mann, der aus Lan­ge­wei­le sei­ne Zel­le auf der Ulmer Höhe zeichnete.

Oder das fünf­jäh­ri­ge Mäd­chen, das in Mön­chen­glad­bach auf dem soge­nann­ten „Idio­ten­hü­gel“ ver­scharrt wur­de – ein erschüt­tern­des Bei­spiel für den Umgang mit behin­der­ten Men­schen im Drit­ten Reich. Dr. Fleer­mann ver­mit­tel­te den Besu­chern die­se Geschich­ten mit spür­ba­rer Empa­thie, Kör­per­spra­che und auch einem Hauch Humor, der nie unpas­send wirk­te, son­dern den Zuhö­rern half, die Schwe­re des The­mas zu tra­gen. Er for­der­te sie auf, mit­zu­den­ken, zu spre­chen, zu füh­len, anstatt nur zuzuhören.

Täter oder Opfer?

Ein beson­ders ein­drucks­vol­ler Moment war der Auf­ent­halt in einem schma­len Flur vol­ler Schwarz-Weiß-Foto­gra­fien. „Schaut euch die Gesich­ter an“, sagt Fleer­mann. „Und über­legt: Wer war Täter, wer war Opfer?“ Die Besu­cher dreh­ten die Bil­der um – und fan­den auf der Rück­sei­te die Ant­wort. Vie­le lagen falsch. „So kann man sich irren“, schmun­zel­te der His­to­ri­ker und erzähl­te eine Anek­do­te: „Vor ein paar Jah­ren stand hier eine bekann­te CDU-Poli­ti­ke­rin. Sie zeig­te auf ein Bild und sag­te: ‚Der sieht ja rich­tig nach Ver­bre­cher aus!‘ – Wir dreh­ten das Bild um, und es war Karl Arnold, Zen­trum­po­li­ti­ker der Wei­ma­rer Repu­blik, 1944 von der Gesta­po ver­haf­tet, Grün­der der CDU Düs­sel­dorf und ers­ter Minis­ter­prä­si­dent Nord­rhein-West­fa­lens.“ Sein Fazit: „Man sieht den Men­schen eben immer nur vor den Kopf.“

Nach­denk­lich und dankbar

Nach ein­ein­halb inten­si­ven Stun­den ende­te die Füh­rung. Dr. Fleer­mann ver­ab­schie­de­te die Grup­pe mit herz­li­chen Wor­ten: „Dan­ke für euren Besuch. Ich habe nur eine Bit­te: Nutzt die Gele­gen­heit, jetzt in der Alt­stadt viel­leicht noch etwas zu trin­ken – und sprecht mit­ein­an­der über das, was ihr heu­te hier gese­hen und gehört habt.“ Ein Vor­schlag, den vie­le gern annah­men – denn so bleibt der Dia­log leben­dig, und die Erin­ne­rung an die­sen beson­de­ren Besuch sicher noch lan­ge bestehen.

Bild:
Die Lin­tor­fer Schüt­zen in der Aus­stel­lung, rechts der Lei­ter der Ein­rich­tung, Dr. Bas­ti­an Fleermann