Von der Entstehung der Erzbruderschaft
bis zur Gründung des Diözesanverband Köln e.V.
1925
Bereits im Jahr 1925 nahm Pfarrer Dr. Peter Louis mit einem Stab von Gleichgesinnten Kontakte auf und bildete eine erste vereinsmäßig organisierte Vereinigung: den Schützenbund Rhein-Wupper.
Initiator hierfür war der Schützenkommandant Wilhelm Marx, Vorsitzender der Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Schlebusch, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Lützenkirchen, Johann Stamm und Pfarrer Miebach, Reusrath.
Diesem Bund schlossen sich die alten Bruderschaften von Monheim (1350), Lützenkirchen (1426), Schlebusch (1418) und Wiesdorf (1459) an. Die Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Bürrig kam später über Dr. Peter Louis, der im Dezember 1926 als Pfarrer von Bürrig eingeführt wurde, hinzu. (Alle o.g. Bruderschaften gehören dem heutigen Bezirksverband Rhein-Wupper-Leverkusen und damit dem Diözesanverband Köln an.)
Unabhängig von einander hatten sich bereits vor dem Zusammenschluss der „echten alten deutschen Schützenbruderschaften“ Bezirke gebildet, die in den großen Verbund eintraten. Dies waren:
die vereinigten Bruderschaften von Viersen unter Führung von Rektor Lankes;
die historischen Schützenbruderschaften des Kreises Düren unter Führung von Fabrikant Hubert Rösler, Weisweiler;
die Bruderschaften des Kreises Geldern unter der Führung von Theodor Schmetter, Issum;
die eucharistischen Ehrengarden von Essen unter der Führung von Amtmann Wilhelm Huch.
1928
Die eigentliche Gründerversammlung der „Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus“ fand am 27. Februar 1928 im großen Saal der Bürgergesellschaft zu Köln statt.
Über 300 Vertreter von Bruderschaften waren erschienen. Geleitet wurde die Versammlung von Wilhelm Marx. Er erläuterte das Programm des zu gründenden Verbandes.
Der Bund sollte den Namen Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus erhalten und an einer römischen Kirche eingetragen werden. Beschlossen wurde eine vorläufige Satzung, bestehend aus sieben Punkten. Hierauf aufbauend wurde folgender provisorischer Vorstand gewählt:
Funktion | Name und Bemerkungen |
---|---|
Präsident: | Franz-Josef Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck |
Adjutant: | Kaufmann Wilhelm Marx, Schlebusch |
stellvertretende Präsidenten: | geheimer Sanitätsrat Dr. Carl von Ehrenwall, Ahrweiler |
Fabrikant Roessler, Weisweiler bei Düren | |
Pfarrer Miebach, Reusrath bei Solingen | |
Graf Wilderich von Spee, Alme | |
geistlicher Generalpräses: | Pfarrer Dr. Peter Louis, Bürrig bei Köln |
Bundeskanzler: | Fabrikant Wilhelm Marx, Schlebusch bei Wiesdorf |
Generalsekretär: | Rektor Peter Lankes, Viersen |
Archivare: | Professor Lennartz, Düren |
Thomas Esser, Euskirchen | |
Rechnungsräte: | Ruland, Rheinbach |
Bürgermeister Dr. Holland, Xanten | |
Fabrikant Krämer, Hitdorf | |
Kaplan Heinsberg, Zülpich | |
Apotheker Dr. Gissinger, Ründeroth | |
Pfarrer Stephan Rhode, Immigrath | |
Professor Dr. Schmitz, Köln-Braunsfeld | |
Pfarrer Rosch, Andernach | |
Landrat Dr. Schneemann, Rees | |
Graf Wilhelm von Spee, Heltdorf |
In der gleichen Versammlung wurde auf Anregung von Dr. Peter Louis eine erste Romfahrt beschlossen, die im Oktober 1928 stattfand. Papst Pius XI. wurde eine goldene Monstranz überreicht.
Die Gründungsversammlung erwies sich als eine starke Werbekraft, denn bereits bei der ersten Sitzung des Vorstandes im April 1928 konnte Präsident Franz-Josef Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck eine Mitgliedermeldung von 65.000 Schützen bekannt geben.
Am 1. Juli 1928 fand dann die feierliche Proklamation der Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus unter Schirmherrschaft des Kölner Oberbürgermeisters, Herrn Dr. Konrad Adenauer in der Messehalle zu Köln statt. Die Feier fand mit einem Festzug von der Kölner Messe zum Dom ihren Abschluss, an dem über 15.000 Schützen teilnahmen. Damit war die Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus als größter Schützenbund im rheinisch-westfälischem Raum fest gegründet.
1929
Im April 1929 wurde die zweite Romfahrt durchgeführt. Im Juli 1929 erfolgte eine Schützenwallfahrt nach Kevelaer. Beide Veranstaltungen wurden von einer großen Zahl Schützen wahrgenommen.
Anlässlich der 19. Deutschen Bundesmeisterschaft des Deutschen Schützenbundes in Köln nahm die Erzbruderschaft mit einer starken Abordnung am Festzug teil.
1930
Im Oktober 1930 fand eine Delegiertentagung in Euskirchen statt. Hier wurden die Bischöfe gebeten, für die einzelnen Diözesen „Diözesanpräsides“ zu bestellen, um die Grundlage für die Ordnung des Verhältnisses zwischen kirchlichen Stellen und der Erzbruderschaft zu schaffen.
1931
Vom 3. bis 7. Januar 1931 fand die erste Tagung für Führungskräfte der Erzbruderschaft in der Benediktinerabtei Maria Laach statt. Diese Tagungen fanden in der Folgezeit regelmäßig statt und gaben den Führungskräften der Erzbruderschaft geistige Prägung.
Die Delegiertenversammlung der Erzbruderschaft im Oktober 1931 fand in Viersen statt. Der Schatzmeister, Rektor Peter Lankes, überreichte dabei als Geschenk der Viersener Schützen ein Bundesbanner. (Dieses Banner ging 1944 bei einem Luftangriff auf Köln-Mülheim durch Brand verloren).
Die Standarte des Verbandes
1932
Am Katholikentag in Essen im September 1932 beteiligten sich über 10.000 Schützen und stellten bei der von über 230.000 Personen besuchten Pontifikalmesse Spalier und Ordnungsdienst. Der Delegiertentag 1932 fand in Düsseldorf statt. An der Pontifikalmesse, zelebriert von Weihbischof Dr. Hammels, beteiligten sich über 15.000 Schützen. An der anschließenden Parade nahmen ca. 30.000 Schützen teil. An der Delegiertenversammlung beteiligten sich über 800 Vertreter der Bruderschaften.
1933 / 1934
Nach der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten wurde das Schützenwesen neu geordnet und gleich geschaltet. Anfang Januar wurde in den Presseorganen unter dem Titel „Schützenwesen unter der Oberaufsicht des Staates“ ein Aufgabenkatalog des neuen Regimes veröffentlicht. Hierin heißt es unter anderem „Erziehung zum Gemeinschaftssinn und zur Wehrhaftigkeit“ auf der Grundlage nationalsozialistischer Volks- und Staatsauffassung, was bedeutet, die Schützen hatten sich der politischen und staatlichen Führung anzupassen und enge Kontakte zur NSDAP zu suchen. Alles das hatte zur Folge, dass die Schützenbruderschaften und –Gesellschaften ihr Recht verloren, Brudermeister bzw. Vorsitzende selbst zu wählen.
Stattdessen mussten drei Vorschläge an die Gauleitung eingereicht werden, die dann ihrerseits den ihr „genehmen“ Schützenführer ernannte. Dieser hatte dann das alleinige Sagen und die Entscheidungsgewalt.
Zunächst wurde angenommen, dass die Erzbruderschaft und der Deutsche Schützenbund nicht betroffen waren, da die Nazis wohl dachten, hier auf ein Wehrpotential zurückgreifen zu können, bis ihre eigenen Organisationen wie SA und SS aufgestellt waren. Hieraus ist es nachvollziehbar, dass die Erzbruderschaft zunächst nicht gleichgeschaltet wurde. Die SA stellte bei großen Veranstaltungen der Erzbruderschaft, wie z. B. bei der Delegiertenversammlung im September 1933 in Trier sogar eine Ehrenformation. Reichskanzler Hitler stiftete zu verschiedenen Anlässen sogar Geschenke.
Im Heiligen Jahr 1933 bot die Erzbruderschaft den Mitgliedsbruderschaften zum ersten Mal für die Teilnahme an der
Romfahrt, die vom 25. September bis 9. Oktober stattfand, ein „Ehrenzeichen des Papstes“ an, das spätere Anno-Santo-Kreuz. Der Empfang dieses Ehrenzeichens war allerdings an Bedingungen geknüpft: die teilnehmende Schützenorganisation musste Mitglied der Erzbruderschaft sein und mindestens seit 100 Jahren bestehen. Der Antrag auf das Ehrenzeichen des Papstes musste vom Präses bei der Kanzlei der Erzbruderschaft gestellt werden. Dieses Abzeichen konnte dann auch nur im Heiligen Jahr und nur persönlich aus der Hand des Papstes empfangen werden.
Recht bald mussten die Verantwortlichen erkennen, dass die Annahme, mit dem nationalsozialistischen Regime zusammen arbeiten zu können, grundlegend falsch war. Nach und nach wurden die Grundlagen zum eigenständigen Fortbestehen entzogen. So mussten die Satzungen insoweit geändert werden, dass nur noch eine Person die Vereinsführung inne hatte. Die Bezeichnung Brudermeister oder Präsident gab es nicht mehr. Ganz im Sinne der Nazis hieß der erste Mann einer Bruderschaft nun „Oberster Schützenbruderschaftsführer“. Die weiteren Vorstandmitglieder hatten keine Vertretungsrechte mehr.
Der Vereinsführer musste zudem von einem Beauftragten des Reichssportministers bestätigt werden, in der Regel waren dies Mitglieder der örtlichen Dienststellen der NSDAP. Somit war die Einflussnahme auf die „Installation“ eines regimetreuen Vereinsführers gegeben. Mit dem Verbot des sportlichen Schießens für Jungschützen und der Meldepflicht von Versammlungen mit Angabe der Redner wurden die Aktivitäten der Bruderschaften langsam eingeschränkt. Als nächstes folgte das Verbot, an kirchlichen Veranstaltungen insbesondere an Prozessionen in Tracht teilzunehmen. Nur wenige Bruderschaften ergaben sich dem Treiben der Nazis. Viele, die sich gleichschalten ließen, haben ihren Charakter dennoch nicht verloren. Sie waren immer noch die Verantwortlichen für die Durchführung der vielen Heimatfeste. An den kirchlichen Veranstaltungen und den Prozessionen nahm man dann eben in Zivil teil. Einige wenige hatten aber trotz Gleichschaltung doch noch den Mut, sich über die Anordnungen hinwegzusetzen, indem sie öffentlich ihre Schützentracht trugen.
Für viele Bruderschaften endete aber auch unter diesen Bedingungen ihr öffentliches Wirken. Sie veranstalteten keine Schützenfeste mehr und stellten sich ganz in den Dienst und Schutz der Kirche. So konnte der Besitz der Bruderschaften, wie Königssilber und Archive, in kirchlichen Räumen vor dem Zugriff der Nazis verborgen werden.
1935
Ein weiterer Versuch der Erzbruderschaft, ihr Überleben zu sichern, schlug dann letztendlich fehl. Eine Aufteilung der Bruderschaften in eine Schützenkompanie, die sich dem Deutschen Schützenbund anschließen konnte, und einer Bruderschaft, die sich dann nur noch um die weltanschaulichen Belange kümmern sollte, scheiterte.
Im Herbst 1935 konnten Mitglieder der Erzbruderschaft zum internationalen Schützentreffen nach Rom reisen und das Bundesfest in Köln-Mülheim feiern.
Die Erzbruderschaft stellte dann mit Beschluss der Delegiertentagung vom Dezember 1935 alle Schießaktivitäten ein.
1936 bis 1945
Das Ende der Erzbruderschaft kam schließlich am 6. März 1936, als die Kanzlei in Bürrig von den Nazis besetzt wurde. Die Besitztümer wurden beschlagnahmt und die Auflösung angeordnet.
Generalpräses Dr. Peter Louis wurde nach stundenlangen Verhören der Aufenthalt im Rheinland und in Rheinland-Pfalz verboten.
Die Gleichschaltung der Schützenvereine war für die anderen Schützenorganisationen wie der Deutsche Schützenbund allerdings auch keine Überlebensgarantie. Zum 1. Januar 1937 wurden auch sie aufgelöst und in den „Deutschen Schützenverband e.V.“ als Teil des Reichsbunds für Leibesübungen zwangsintegriert.
Schützenfeste wurden auch weiterhin gefeiert, was für die Schützenvereine das Wichtigste war. Auch wenn hierfür die Hakenkreuzsymbole als Fahnenschmuck zu verwenden waren. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs 1939 kamen aber auch diese Schützenaktivitäten zum völligen Erliegen.
Viele Schätze der Bruderschaften gingen dann letztlich doch noch verloren, wie z. B. das Bundesbanner, das die Mühlheimer St. Sebastianus Bürgerschützengesellschaft 1934 während des zweiten Bundes- und Meisterschaftsschießen in Bonn erhielt. Es verbrannte während eines Bombenangriffs 1944 auf die Herz-Jesu-Kirche zu Köln-Mülheim in der Sakristei. Auch die erste Bundeskette überstand die Nazizeit nicht. Sie wurde von der Gestapo eingezogen und eingeschmolzen.
Als Dr. Peter Louis im Dezember 1945 aus seinem „Exil“ in Baden zurückkehrte, war seine Pfarrkirche St. Stephanus zerstört und die Erzbruderschaft aufgelöst. Sogleich unternahm er alle Anstrengungen, beide wieder herzustellen. Trotz des durch die Nazis zerstörten Archivmaterials schaffte er es, den Großteil der Bruderschaften wieder ausfindig zu machen.
1946
Im März 1946 informierte er diese über den Zustand der Erzbruderschaft und forderte sie gleichzeitig auf, die Bruderschaften nach den althergebrachten Grundsätzen der Erzbruderschaften aufleben zu lassen.
Bereits am Ostermontag 1946 fand in Bürrig die erste Delegiertentagung nach dem Krieg statt.
Im Juni 1946 hob die britische Militärregierung das Verbot für das öffentliche Auftreten in Schützentracht auf.
So konnten die Bruderschaften wieder an den Fronleichnamsprozessionen teilnehmen und ihre Patronatsfeste feiern.
Kardinal Frings Kardinal Frings
Als der von den Nazis installierte Deutsche Schützenbund von den Alliierten aufgelöst und das Vermögen konfisziert wurde, fielen auch die Bruderschaften unter diese Anordnung, die sich nicht hatten gleichschalten lassen. Hiergegen setzte sich Kardinal Dr. Joseph Frings, der Erzbischof von Köln, persönlich ein und bewirkte beim Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen, General Robertson, dass diese Bruderschaften verschont wurden, da es sich hierbei um christliche und kirchlich anerkannte Vereinigungen handelte, die nichts mit den Nazi-Organisationen zu tun hatten.
In der Zeit vom 16. bis 18. August 1946 fanden sich die einzelnen Führer der Bruderschaften zu einer konstituierenden Versammlung unter der Leitung von Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in Walberberg ein.
Anstelle der von den Nazis aufgezwungenen Satzung wurde eine neue beschlossen, die eine feste Bindung zur Kirche klar herausstellte.
1947 – Die Geburtsstunde des Diözesanverbandes Köln
Am 12. Juni 1947 erhielt Dr. Peter Louis von der Militärregierung in Düsseldorf die Genehmigung, den Bruderschaften mitzuteilen, dass sie nicht wie die anderen Schützenvereine verboten werden und ihren Aktivitäten wie das Schießen wieder öffentlich nachgehen konnten.
Allerdings wurde ihnen zur Auflage gemacht, Diözesanverbände zu gründen und sich diesen anzuschließen.
Hier beginnt für uns die Geburtsstunde des Diözesanverbandes Köln.
Alle weiteren relevanten Punkte der Erzbruderschaft, dem späteren Zentralverband und heutigen Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften sind in der Diözesanchronik aufgenommen.