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Samstag, 23. Juli 2022

Berichts-Kategorie: Bruderschaften
Bruderschaft: St. Seb. Schützenbruderschaft 1402 vom Heister zu Schönstein e.V.,
eingesendet von: Mathias Groß

Jubi­lä­ums­sä­bel der Schön­stei­ner Schüt­zen­bru­der­schaft nach 77 Jah­ren zurück in der Heimat

Sam­mel­lei­den­schaft führt häu­fig über Spu­ren­su­che zu Ent­de­ckun­gen. Die­ser Tat­sa­che ver­dankt die St. Sebas­tia­nus Schüt­zen­bru­der­schaft Schön­stein, dass der ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ger Bri­an Kai­ser auf sie auf­merk­sam gewor­den ist.

In sei­ner umfang­rei­chen Samm­lung von deut­schen könig- und kai­ser­li­chen Hieb- und Stich­waf­fen gehört ein Säbel, den er vor ca. 40 Jah­ren in einem Geschäft für mili­tä­ri­sche Anti­qui­tä­ten in North Hol­ly­wood, Kali­for­ni­en, gekauft hat­te. Es han­delt sich dabei um das Modell 1889 der preu­ßi­schen Infan­te­rie­of­fi­zie­re oder aber, laut alten Kata­log­ent­wür­fen, um einen Prä­sen­ta­ti­ons­sä­bel für diver­se bru­der­schaft­li­che Ver­ei­ni­gun­gen. Die Bezeich­nung des Pro­dukt­her­stel­lers lau­tet „Cle­men & Jung“ aus Solin­gen (1860 – 1972).

Als Bri­an Kai­ser auf der Klin­ge die ein­gra­vier­te Inschrift „Anläss­lich der Jubel­fei­er der 200jährigen Erneue­rung der St. Sebas­tia­nus Schüt­zen­bru­der­schaft Schön­stein“ ent­deck­te, begann via Inter­net die Kon­takt­auf­nah­me mit Hans-Georg Orthen, Vor­stands­mit­glied der Schön­stei­ner Schützenbruderschaft.

Gra­vur auf dem Säbel, die den Hin­weis auf die Schüt­zen­bru­der­schaft lieferte.

An die ame­ri­ka­ni­sche Adres­se zuge­sand­te Aus­zü­ge aus Schrift­stü­cken und his­to­ri­sche Ablich­tun­gen aus dem Archiv der Schüt­zen­bru­der­schaft brach­ten zuneh­mend Klar­heit in die zeit­li­che und per­so­nel­le Zuord­nung des his­to­ri­schen Objekts. Aus die­sem konn­te Bri­an Kai­ser ent­neh­men, dass die anno 1714 erneu­er­te, wie­der auf­ge­rich­te­te Schüt­zen­bru­der­schaft im Jah­re 1913 ihr 200-jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­er­te und somit der Schlepp­sä­bel aus dem Vor­jahr des Kriegs­aus­bruchs 1914 stammte.

Bogen­schüt­zen im Jubi­lä­ums­jahr vor der Schloss Treppe

Das Foto eines dama­li­gen Schüt­zen­of­fi­ziers (Robert Frank) mit Schlepp­sä­bel beleg­te die Über­ein­stim­mung der Model­le. Bei einer nähe­ren Inspi­zie­rung des Flanschs auf der Rück­sei­te des Säbel­griffs ent­deck­te der Besit­zer eine klei­ne und schwer erkenn­ba­re Inschrift.„Ihrem I. Haupt­mann A. Becher gewid­met von der Bruderschaft.“

Chris­ti­an Arnold Becher, *29.07.1859 in Schön­stein, war Schüt­zen­meis­ter der St. Sebas­tia­nus Schüt­zen­bru­der­schaft 1402 vom Heis­ter zu Schön­stein in den Jah­ren 1906 – 1927. Somit stand er der Bru­der­schaft auch wäh­rend der 200-jäh­ri­gen Fei­er­lich­kei­ten anläss­lich ihrer Wie­der­auf­rich­tung vor. Groß war die Freu­de, als Bri­an Kai­ser mit­teil­te, dass der Säbel, da er ein lokal-his­to­ri­sches Uni­kat sei, an sei­nen Bestim­mungs­ort Schön­stein zurück­keh­ren soll­te. Wie aber gelang­te die Offi­ziers­waf­fe einst in die USA und in den Besitz des jet­zi­gen Inhabers?

Es liegt die Ver­mu­tung sehr nahe – mög­li­che Zeit­zeu­gen leben nicht mehr -, dass ein ame­ri­ka­ni­scher Sol­dat nach Ende des II. Welt­krie­ges den Offi­ziers­sä­bel als „Kriegs­sou­ve­nir“ mit in die USA genom­men hat.

 

 

 

Erläu­te­rung der lokal-his­to­ri­schen Situation

 In den letz­ten März­ta­gen des Jah­res 1945 dran­gen ame­ri­ka­ni­sche Trup­pen in unse­rer Regi­on ein, auch Schön­stein und Wis­sen waren betrof­fen. Nach teils hef­ti­gen Kämp­fen gewan­nen sie gegen ver­spreng­te deut­sche Rest­ein­hei­ten die Ober­hand, die vor­nehm­lich nörd­lich der Sieg in Stel­lung gegan­gen waren. (Alser­berg-Brück­hö­fe-Kucks­berg-Born­scheidt-Alte Poststraße/Forsthaus Buchen/Oberhövels/Öttgesborn). Nach der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on Nazi-Deutsch­lands am 8. Mai 1945 blie­ben die uns durch­aus freund­lich gesinn­ten Ame­ri­ka­ner als Besat­zungs­macht hier bis sie kurz­zei­tig von bel­gi­schem Mili­tär und danach, ab dem 20. Juli 1945, von den Fran­zo­sen abge­löst wur­den. Die fran­zö­si­sche Mili­tär­re­gie­rung in Alten­kir­chen mach­te bekannt, alle im Pri­vat­be­sitz befind­li­chen Waf­fen und sämt­li­che Muni­ti­on abzu­ge­ben. Die­se Auf­for­de­rung war etwa 3,5 Mona­te vor­her auch von der ame­ri­ka­ni­schen Behör­de an die Bevöl­ke­rung ergan­gen. So wird der Säbel von Arnold Becher von den Ame­ri­ka­nern kon­fis­ziert wor­den oder „frei­wil­lig“ in die Hän­de eines GI´s  gelangt sein. 

Im kali­for­ni­schen San Fer­nan­do-Val­ley wird wohl der US-Vete­ran in den 1940er Jah­ren sei­ne deut­sche „Kriegs­beu­te“ in dem oben erwähn­ten mili­tä­ri­schen Anti­qui­tä­ten­la­den ver­kauft haben, wie es vie­le sei­ner ehe­ma­li­gen Kriegs­ka­me­ra­den auch getan haben. 

Am 24. Janu­ar 2022 gelang­te der Offi­ziers­sä­bel – in der Waren­be­schrei­bung als kost­ba­re Hieb- und Stich­waf­fe aus Metall dekla­riert – an sei­nen Ursprungs­ort ins Schloss­dorf Schön­stein zurück. Stolz und erfreut hielt Schüt­zen­of­fi­zier Hans-Georg Orthen das begehr­te Objekt in sei­nen Hän­den. Auch froh dar­über, dass alle büro­kra­ti­schen Hür­den – Ver­sand, zoll­amt­li­che Prü­fung, Nach­wei­se und Waren­be­schrei­bung, Kos­ten­fra­ge etc. – nach 6 Mona­ten über­wun­den waren.

Ein­ver­nehm­lich hat­ten sich bei­de Sei­ten zuvor auf einen Kauf- bzw. Ver­kaufs­preis von 1000 USD sowie die je hälf­ti­ge Über­nah­me der Fracht­kos­ten von 288 USD geei­nigt. Somit betrug die Gesamt­sum­me 1144 USD. Bei einem Kurs von 1,1301 USD für einen Euro ent­stan­den so Kos­ten von 1012,89 EUR.

Die Geschich­te eines Gegen­stan­des ist oft viel grö­ßer als der mate­ri­el­le Wert selbst; dies meint auch Bri­an Kai­ser so. Aus sei­ner elsäs­si­schen Ahnen­rei­he war ein Johan­nes Wag­ner Offi­zier in der Leib­gar­de Gene­ral Geor­ge Washing­tons (1. Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka) – Er hat­te viel über die deut­sche Geschich­te in Erfah­rung gebracht und so freut es ihn umso mehr, dass sein wert­vol­les Samm­ler­stück nach 77 Jah­ren unver­sehrt an sei­nen recht­mä­ßi­gen Ort zurück­ge­kehrt ist.

Für den Trans­port hat­te er eine sta­bi­le Holz­kis­te ange­fer­tigt, die er mit Schrau­ben ver­schlos­sen hatte.

Die Trans­port­kis­te, mit der der Säbel wie­der zurück zur Schüt­zen­bru­der­schaft gekom­men ist.

 

Im Namen der St. Sebas­tia­nus Schüt­zen­bru­der­schaft Schön­stein bedank­te sich Hans-Georg Orthen bei sei­nem ame­ri­ka­ni­schen Part­ner für die Kor­re­spon­denz und Koope­ra­ti­on mit ihm. Zur Erin­ne­rung über­sand­te er das Fest­buch der Schüt­zen­bru­der­schaft anläss­lich ihres 600-jäh­ri­gen Bestehens sowie einen köst­li­chen Trunk, der in ver­gan­ge­nen Jah­ren von den Schön­stei­ner Schüt­zen auf dem Weih­nachts­markt im Schloss­hof des fürst­li­chen Hau­ses Hatz­feldt ange­bo­ten wurde.

In einer Glas­vi­tri­ne im Schüt­zen­haus Schön­stein erhält das his­to­ri­sche Uni­kat sei­nen Ehrenplatz.