Jubiläumssäbel der Schönsteiner Schützenbruderschaft nach 77 Jahren zurück in der Heimat
Sammelleidenschaft führt häufig über Spurensuche zu Entdeckungen. Dieser Tatsache verdankt die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Schönstein, dass der amerikanische Staatsbürger Brian Kaiser auf sie aufmerksam geworden ist.
In seiner umfangreichen Sammlung von deutschen könig- und kaiserlichen Hieb- und Stichwaffen gehört ein Säbel, den er vor ca. 40 Jahren in einem Geschäft für militärische Antiquitäten in North Hollywood, Kalifornien, gekauft hatte. Es handelt sich dabei um das Modell 1889 der preußischen Infanterieoffiziere oder aber, laut alten Katalogentwürfen, um einen Präsentationssäbel für diverse bruderschaftliche Vereinigungen. Die Bezeichnung des Produktherstellers lautet „Clemen & Jung“ aus Solingen (1860 – 1972).
Als Brian Kaiser auf der Klinge die eingravierte Inschrift „Anlässlich der Jubelfeier der 200jährigen Erneuerung der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Schönstein“ entdeckte, begann via Internet die Kontaktaufnahme mit Hans-Georg Orthen, Vorstandsmitglied der Schönsteiner Schützenbruderschaft.

Gravur auf dem Säbel, die den Hinweis auf die Schützenbruderschaft lieferte.
An die amerikanische Adresse zugesandte Auszüge aus Schriftstücken und historische Ablichtungen aus dem Archiv der Schützenbruderschaft brachten zunehmend Klarheit in die zeitliche und personelle Zuordnung des historischen Objekts. Aus diesem konnte Brian Kaiser entnehmen, dass die anno 1714 erneuerte, wieder aufgerichtete Schützenbruderschaft im Jahre 1913 ihr 200-jähriges Jubiläum feierte und somit der Schleppsäbel aus dem Vorjahr des Kriegsausbruchs 1914 stammte.

Bogenschützen im Jubiläumsjahr vor der Schloss Treppe
Das Foto eines damaligen Schützenoffiziers (Robert Frank) mit Schleppsäbel belegte die Übereinstimmung der Modelle. Bei einer näheren Inspizierung des Flanschs auf der Rückseite des Säbelgriffs entdeckte der Besitzer eine kleine und schwer erkennbare Inschrift.„Ihrem I. Hauptmann A. Becher gewidmet von der Bruderschaft.“
Christian Arnold Becher, *29.07.1859 in Schönstein, war Schützenmeister der St. Sebastianus Schützenbruderschaft 1402 vom Heister zu Schönstein in den Jahren 1906 – 1927. Somit stand er der Bruderschaft auch während der 200-jährigen Feierlichkeiten anlässlich ihrer Wiederaufrichtung vor. Groß war die Freude, als Brian Kaiser mitteilte, dass der Säbel, da er ein lokal-historisches Unikat sei, an seinen Bestimmungsort Schönstein zurückkehren sollte. Wie aber gelangte die Offizierswaffe einst in die USA und in den Besitz des jetzigen Inhabers?
Es liegt die Vermutung sehr nahe – mögliche Zeitzeugen leben nicht mehr -, dass ein amerikanischer Soldat nach Ende des II. Weltkrieges den Offizierssäbel als „Kriegssouvenir“ mit in die USA genommen hat.
Erläuterung der lokal-historischen Situation
In den letzten Märztagen des Jahres 1945 drangen amerikanische Truppen in unserer Region ein, auch Schönstein und Wissen waren betroffen. Nach teils heftigen Kämpfen gewannen sie gegen versprengte deutsche Resteinheiten die Oberhand, die vornehmlich nördlich der Sieg in Stellung gegangen waren. (Alserberg-Brückhöfe-Kucksberg-Bornscheidt-Alte Poststraße/Forsthaus Buchen/Oberhövels/Öttgesborn). Nach der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945 blieben die uns durchaus freundlich gesinnten Amerikaner als Besatzungsmacht hier bis sie kurzzeitig von belgischem Militär und danach, ab dem 20. Juli 1945, von den Franzosen abgelöst wurden. Die französische Militärregierung in Altenkirchen machte bekannt, alle im Privatbesitz befindlichen Waffen und sämtliche Munition abzugeben. Diese Aufforderung war etwa 3,5 Monate vorher auch von der amerikanischen Behörde an die Bevölkerung ergangen. So wird der Säbel von Arnold Becher von den Amerikanern konfisziert worden oder „freiwillig“ in die Hände eines GI´s gelangt sein.
Im kalifornischen San Fernando-Valley wird wohl der US-Veteran in den 1940er Jahren seine deutsche „Kriegsbeute“ in dem oben erwähnten militärischen Antiquitätenladen verkauft haben, wie es viele seiner ehemaligen Kriegskameraden auch getan haben.
Am 24. Januar 2022 gelangte der Offizierssäbel – in der Warenbeschreibung als kostbare Hieb- und Stichwaffe aus Metall deklariert – an seinen Ursprungsort ins Schlossdorf Schönstein zurück. Stolz und erfreut hielt Schützenoffizier Hans-Georg Orthen das begehrte Objekt in seinen Händen. Auch froh darüber, dass alle bürokratischen Hürden – Versand, zollamtliche Prüfung, Nachweise und Warenbeschreibung, Kostenfrage etc. – nach 6 Monaten überwunden waren.
Einvernehmlich hatten sich beide Seiten zuvor auf einen Kauf- bzw. Verkaufspreis von 1000 USD sowie die je hälftige Übernahme der Frachtkosten von 288 USD geeinigt. Somit betrug die Gesamtsumme 1144 USD. Bei einem Kurs von 1,1301 USD für einen Euro entstanden so Kosten von 1012,89 EUR.
Die Geschichte eines Gegenstandes ist oft viel größer als der materielle Wert selbst; dies meint auch Brian Kaiser so. Aus seiner elsässischen Ahnenreihe war ein Johannes Wagner Offizier in der Leibgarde General George Washingtons (1. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika) – Er hatte viel über die deutsche Geschichte in Erfahrung gebracht und so freut es ihn umso mehr, dass sein wertvolles Sammlerstück nach 77 Jahren unversehrt an seinen rechtmäßigen Ort zurückgekehrt ist.
Für den Transport hatte er eine stabile Holzkiste angefertigt, die er mit Schrauben verschlossen hatte.

Die Transportkiste, mit der der Säbel wieder zurück zur Schützenbruderschaft gekommen ist.
Im Namen der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Schönstein bedankte sich Hans-Georg Orthen bei seinem amerikanischen Partner für die Korrespondenz und Kooperation mit ihm. Zur Erinnerung übersandte er das Festbuch der Schützenbruderschaft anlässlich ihres 600-jährigen Bestehens sowie einen köstlichen Trunk, der in vergangenen Jahren von den Schönsteiner Schützen auf dem Weihnachtsmarkt im Schlosshof des fürstlichen Hauses Hatzfeldt angeboten wurde.
In einer Glasvitrine im Schützenhaus Schönstein erhält das historische Unikat seinen Ehrenplatz.